Bildung

Die UN-BRK fordert in Artikel 24 die Anerkennung des Rechts von Menschen mit Behinderungen auf Bildung ohne Diskriminierung und auf der Grundlage von Chancengleichheit. Um dieses Recht zu verwirklichen, bedarf es eines integrativen Bildungssystems auf allen Ebenen, einschließlich des gleichberechtigten Zugangs zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen. Ziel ist die Teilhabe statt einer gesellschaftlichen und institutionellen Ausgrenzung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Behinderungen.

Die Umsetzung der Forderungen der UN-BRK gestaltet sich im Föderalstaat Deutschland ungleich schwieriger, da 16 verschiedene Schulgesetze den Ausbau des inklusiven Unterrichts in unterschiedlicher Art und Weise vollziehen. Bundesländerübergreifend ist allerdings die Problematik der oft unzureichenden personellen, materiellen und baulichen Rahmenbedingungen sowie die mangelnde Unterstützung der Lehrkräfte und der Widerstand seitens Teilen der Elternschaft und Schulbehörden.

In Sachsen besuchten im Schuljahr 2016/17 5,72 % der Schüler:innen eine Förderschule (Exklusionsquote). Dies stellt zwar eine wesentliche Verbesserung der Quote im Vergleich zum Schuljahr 2008/09 (6,90 %) dar, im Vergleich zum Bundesdurchschnitt von 4,4 % im Schuljahr 2016/17 jedoch ist der Anteil der Schüler:innen an Förderschulen immer noch zu hoch. Überdies findet Inklusion überwiegend an Grund-, Haupt-, Real- oder Gesamtschulen statt. Nur 0,3 % der Schüler:innen mit Förderbedarf in Deutschland besuchen ein Gymnasium. Gefragt ist hier eine geplante Überführung der Ressourcen und Kompetenzen in gemeinsame Schulen statt des Festhaltens an der Doppelstruktur der Förder- und Regelschulen („10 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention. Eine Kurzbilanz“, Aktion Mensch).

Für die Gewährleistung der Umsetzung der Ziele aus der UN-BRK benötigen v.a. die Lehrkräfte an den Schulen, die oft ohne Hilfestellung vor enormen Herausforderungen stehen, größere Unterstützung. Dazu zählen die Erhöhung der Anzahl der Inklusionsassistent:innen und eine bessere Zugänglichkeit zu Weiterbildungen. Die Einstellung von Inklusionsassistent:innen ist mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden und erfordert die Eigeninitiative der Schulen, da sie nicht direkt vom Freistaat Sachsen angestellt werden, so wie Lehrkräfte. Die begrenzte Anzahl der Weiterbildungen wiederum bietet nicht allen Lehrer:innen die Chance, sich mit dem Thema Inklusion und Teilhabe auseinander zu setzen. Darunter leiden auch die Schüler:innen beider Seiten, d.h. Kinder sowohl mit als auch ohne Bedarf an Unterstützung beim Lernen.

Eine weitere Strategie, um Lehrkräfte zu entlasten und den Schüler:innen bestmögliche Unterstützung und inklusive Bildung gewährleisten zu können, ist die des sogenannten Co-Teachings. Dabei arbeiten mindestens zwei ausgebildete Lehrkräfte gemeinsam in einer Klasse. Idealerweise sollte davon wenigstens eine Lehrkraft sonderpädagogisch ausgebildet sein. So kann sichergestellt werden, dass die Lehrkräfte durch Doppelbelastung nicht überfordert und Schüler:innen bedarfsgerecht unterstützt werden. Dafür ist allerdings eine intensive Werbung und Einstellung zusätzlicher Lehrkräfte nötig, die nur durch zusätzliche Anreize erreicht werden kann. Weiterhin muss das Studium der Sonderpädagogik gezielt beworben werden, um mehr sonderpädagogisches Fachpersonal auszubilden.

Derzeit ist es im Freistaat Sachsen nur möglich, entweder Sonderpädagogik zu studieren oder Seminare und Vorlesungen mit sonderpädagogischem Inhalt als Wahlfach zu belegen. Daher ist es nötig, Inhalte der Sonderpädagogik als Pflichtmodul mit schulpraktischen Übungen in den Studienablaufplan des Lehramtsstudium zu überführen, um zukünftige Lehrkräfte adäquat und praxisnah auf ein integratives Bildungssystem vorzubereiten. Gleichzeitig müssen auch Fachkräfte und Mitarbeitende auf allen Ebenen des Bildungswesens, einschließlich der Erzieher:innen in Kindertagesstätten, geschult werden.

Lobenswert ist der Fortschritt in einigen Bereichen der Hochschullehre. Nachdem 2016 die Untersuchung „Auf dem Weg zur inklusiven Hochschule. Studie zur Situation von Studierenden und Beschäftigten mit Behinderungen im öffentlichen sächsischen Wissenschaftsbereich“ veröffentlicht wurde, leiteten viele Akteure entsprechende Maßnahmen ein. So hat die TU Dresden bereits einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention entwickelt und eine Stabsstelle Diversity Management sowie einen Beirat Inklusion eingerichtet. Im Jahr 2020 wurde in der Projektphase II der Qualitätsanalyse inklusiver Hochschule eine „[v]ertiefende Auswertung einer qualitativen Befragung von Studierenden mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen zur Verbesserung der Diversitätssensibilität an der TU Dresden“ durchgeführt und damit die Betroffenen selbst eingebunden. Auch die Universität Leipzig möchte mit dem Hochschulaktionsplan Inklusion 2017 die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen erreichen und einen inklusiven und diskriminierungsfreien Raum schaffen. Die meisten anderen Hochschulen und Universitäten in Sachsen können ebenfalls einen Aktionsplan und entsprechende Kontrollstellen vorweisen. Auf Landesebene agiert die Koordinierungsstelle zur Förderung der Chancengleichheit an sächsischen Universitäten und Hochschulen. Zu beachten bleibt, dass die ergriffenen Maßnahmen kontinuierlich und gemeinsam mit Betroffenen auf ihren Erfolg hin geprüft werden müssen, wie es bereits an einigen Stellen geschieht.

Die Fachstelle Teilhabekoordination erachtet die Umsetzung folgender konkreter Maßnahmen als wichtige Schritte hin zu Inklusion in der Bildung:

·         Ausbildung und Einstellung weiterer Inklusionsassistenten in niedrigschwelligen, zentralen Verfahren

·         Längerfristig: Einführung und Etablierung des Co-Teachings

·         Erhöhung der Anzahl und Kapazitäten der Weiterbildungen für Lehrer

·         Istzustand des Unterstützungslevels der Lehrer feststellen (z. B. durch Umfrage unter Lehrern)

·         Schulungen der Fachkräfte und Mitarbeitenden auf allen Ebenen des Bildungswesens

·         Integration von sonderpädagogischen Inhalten als Pflichtfach in den Studienablaufplan Lehramt an den sächsischen Hochschulen und Werbung für das Studium der Sonderpädagogik

Erfahrungsberichte

Um die aktuelle Situation zu verdeutlichen und greifbarer zu machen, suchen wir Menschen mit und ohne Behinderungen, die uns von ihren Erfahrungen erzählen. Ob Lehrkraft, Elternteil, Schüler*in, Erzieher*in, Professor*in oder andere, wir freuen uns über jeden Bericht, der auf Wunsch selbstverständlich anonymisiert veröffentlicht wird.

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